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    • Foto von Reinhard H.
      Reinhard H.
      Duisburg, Nordrhein-Westfalen
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      20. Okt. 2010
      Erster Beitrag

      Mausgraue Mauerblümchen


      Die genauen geographischen Koordinaten des Ortes, den man im Volksmund derb und herzlos als Arsch der Welt bezeichnet, sind umstritten. Kommt halt viel drauf an, von wo man guckt oder kommt. Dorthin gerät man jedenfalls nie absichtlich, sondern nur so, wie Columbus auf der Suche nach dem Seeweg nach Indien sich versehentlich mal schwer versegelte und so zufällig auf Amerika stieß. Paris, Berlin, New York: Klar, da will der eine oder andere natürlich schon mal gezielt hin. Das kennt man, da waren schon mal welche, da gibt es künstlerische Fotos zu schießen. Ich möchte aber heute eine Lanze für die gänzlich unberühmten, un-hippen, schockstarr in ihrer durchschnittlichen Unbedeutetheit verharrenden Ortschaften brechen, die als graumäusige Mauerblümchen nie traffic auf google map erhalten, diese bescheidenen Mitesser und Sehensunwürdigkeiten unter den urbanen Wohnstätten, wie, sagen wir mal ... Plön, Sömmerda, Geiseke, Pirmasens, Tönisvorst oder, seht mal hier: Wolfhagen. Fehlfarbig verwachsene, unauffällige Haufendörfer, die nie zum Tanzen aufgefordert werden, weil man sie einfach nicht sexy findet.


      Städtepartnerschaft finden solche bedauernswert unattraktiven Gemeinden höchstens über dubiose Kontaktanzeigenblättchen. Abseits großer Verkehrswege bleibt ihnen nur das halblegale Kleingewerbe der Scherenschleifer, Gebrauchtwagen-Händler und Futtermittel-Grossisten. In diesen Nischen-Mikropolen steht die Zeit still, man trägt noch Frack, Schlaghose und Plateausohlen, trinkt Klosterfrau Melissengeist und parfürmiert sich, wenn mal Schützenfest oder Landjugend-Schwof ist, mit ordentlich Kölnisch Wasser. Den Mund voller Rüben, spricht man noch schollernde Dialekte, man kommt nie in den Nachrichten und kennt keine coolen Trends. Hier bleibt der Zeitgeist hübsch in der Flasche. Die häufigste Frage, die Eingeborene zu hören bekommen, lautet: Wie kommt man denn hier rasch wieder weg? Eigentlich ungerecht, denn hier, in der medial ignorierten Unbeachtetheitswüste, tobt und braust das pralle Leben ja nicht minder als anderswo; es ist wie mit Kleintieren, die mehr als vier Beine haben und eine picklige Schleimhülle: Niemand will sie streicheln oder ihnen auf einem süßen Tierfriedhof die letzte Ehre erweisen dabei sind es doch ebenfalls Gottes liebe, oder wenigstens zweitliebste Stief-Geschöpfe!


      Wolfhagen also. Wobei, genau genommen kenne ich den Ort gar nicht, vielleicht bedauere ich ihn zu Unrecht, weil er in Wahrheit eine Weinkönigin besitzt, einen Kreismeister im Eisbosseln hervorgebracht und einen Preis für Schülerlotsen-Ausbildung gewonnen hat. Jedenfalls gibt es hier bei Wolfhagen an der Autobahn einen Autohof, die Elsinger Höhe. Nebbich, neblicht ist es dort im Oktober, zugig wie Hechtsuppe und es hat viele freie Parkplätze. Die Raststätte hingegen ist zug- und zeitgeistresistent. Herinnen herrscht die gutbürgerliche Solidität der 70er. Mobiliar und Interieur sind fabrikneues Birkendrechselimitat in Vollholz mit Furnierapplikationen; die Blumen künstlich, die Speisenkarte indes strotzt von üppig-opulenter Gutbürgerlichkeit. Kein McSchnick-Schnack-Hype, kein toilettitäres Sanifair und kein dubios zertifiziertes bio-gefaktes Fastfood-Tralala, sondern mittelschwere Mampfküche nach Mutternart. Dazu akustisches Viervierteltakt-Schlager-Stampfgemüse aus den Boxen. Hier ist noch zu besichtigen, was populistische Politiker mit deutscher Leitkultur meinen.


      Weil alles so deftig-solide, grundehrlich und leitkulturell deutsch daher kommt, lässt man sich gern zu Gerichten verleiten, die dem Langstrecken-Autofahrer eher die Konzentration rauben. Die Portionen sind für Fernfahrer berechnet, die ihren Truck ab und zu persönlich über den Berg (10% Steigung) schieben. Ein Wort, das ich sonst nur noch selten zu benutzen die Gelegenheit finde, passt hier wie die Pommes-Faust aufs Mayo-Auge: Gediegen! Passend wären auch Ausdrücke wie solide, reell, deftig, ehrlich und famos. Selbst die Gattin, zuhause in der Zubereitung dekadent-delikat mürber, würzig-famoser Rindsrouladen eine unangefochtene Meisterin, fand an der ihr servierten Roulade lediglich auszusetzen, sie sei tja, na ja, ein paar Meter zu groß. Das galt auch für mein Schnitzel Wiener Art, also zwar EU-regelwidrig vom Schwein, aber dennoch zart und lecker. Mein Verbesserungsvorschlag ginge evtl. bei allem Respekt dahin, die Schnitzel nicht im gleichen Fett zu frittieren wie den Backfisch. Wiener Schwein mit Seebarsch-Noten ist zwar subtil, aber eben nicht wirklich... gut bürgerlich, sondern schon auf beunruhigende Weise cross over. Ansonsten ist sich-mal-richtig-satt-Essen für mich spät geborenen Diätzimperling zwar schon eine überkommene Traumvorstellung der kriegsgeplagten Vätergeneration, aber hier kapiere ich immerhin noch, was mal gemeint war in der Generation Fresswelle.


      Wer in der Elsinger Höhe gerastet hat, sollte vielleicht nicht sofort weiterfahren, sondern zunächst ein halbes Stündchen Parkplatz-Nickerchen einlegen. Aber

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